Einleitung

Eine Antwort des Menschen auf die sozialen Nöte...

Spätestens seit der Wirtschaftskrise 2007 sind wir auch in Mitteleuropa auf einen möglichen Zusammenbruch der Weltwirtschaft sensibilisiert. Mit Besorgnis nehmen wir die Meldungen von Staatsverschuldungen und Rettungspaketen, von Finanzkrisen und Kapitalanhäufungen, von sozialen Nöten und überhöhten Preisentwicklungen, sowie von drohenden oder vorhandenen Kriegshandlungen auf. Angesichts der globalen Ausmasse mag der Einzelne sich an die Verhältnisse gebunden, unbedeutend und ohnmächtig fühlen. Und doch wird er sich eingestehen müssen, dass es immer der Einzelne ist, der mit seinem Handeln Verhältnisse schafft, deren Kumulierung mit anderen die sozialen Formen der Zukunft bestimmen. So wird der Blick auf die Notwendigkeit, die Finanzflüsse sozial heilsam zu gestalten, auch die Frage beinhalten, aus welchen Kräften und mit welchen Aussichten der Einzelne zur heilsamen Veränderung seines Finanzverhaltens ermutigt werden kann.

...auf der Suche nach den wahren Begriffen...

Hinschauend auf die Ursachen des ersten Weltkrieges versuchte Rudolf Steiner ab 1919 zur Genesung des sozialen Organismus Verständnis zu erwecken für ein von Staat und Wirtschaft unabhängiges Geistesleben, für ein Rechtsleben, das sich frei von Wirtschafts- und Weltanschauungsinteressen entfalten kann und für ein vom Staat unabhängiges, brüderliches Wirtschaftsleben. Zur Motivation für eine brüderliche Wirtschaftsweise machte er in den entsprechenden Schriften und Vorträgen weder egoistische noch idealistische, weder gesellschaftliche noch religiös-moralische Impulse geltend. Dafür wies er eindringlich auf die Notwendigkeit hin, ein wirklichkeitsgemässes Denken zu entwickeln, das den wahren Geistgehalt der Wirtschaftsfaktoren und -Zusammenhänge zu fassen vermag. Offensichtlich wollte er die soziale Erneuerung auf die Grundlage einer geistgemässen Wesenserkenntnis des Einzelnen stellen und damit die Menschen ermutigen, ein brüderliches Finanzverhalten aus dem Streben nach der Bildung und Entfaltung von wahren Begriffen zu entwickeln.

...schrittweise aus der Individualität heraus...

Der Ruf nach «wahren Begriffen» impliziert, dass die heutige Wirtschaft auf «unwahren Begriffen» beruht. Tatsächlich haben wir in unserem Streben nach individueller Unabhängigkeit, Zukunftssicherheit und wirtschaftlichem Wachstum die Arbeit, das Geld und den Boden zu Waren, die Unternehmen, die Häuser und das Kreditwesen zu Renditeobjekten und die Existenznöte, die Lebensbedürfnisse und die Begehrlichkeiten zu Investitionsobjekten gemacht – was sie ihrem Wesen nach gar nicht sind. Wenn nun die «Wahrheit» in diesen Wirtschaftszusammenhängen gesucht werden soll, so kann das nur geschehen, wenn das individuelle Bestreben des Einzelnen sich darauf ausrichtet. Die Wege können demnach nur solche sein, die der Einzelne im Masse seiner sich verändernden Einsichten und Willenskräfte schrittweise und freiwillig gehen kann. Darin mag der Grund liegen für das Scheitern von Dreigliederungsimpulsen, die institutionell eingerichtet wurden.

...in vier Wirkungsfeldern

Mit Blick darauf, wie der Einzelne wirkungsvoll und nachhaltig mit einer Veränderung seines Finanzverhaltens beginnen kann, ergeben sich folgende Fragestellungen:

In Wirklichkeit sorgen wir mit unserer Arbeit für die Befriedigung der Bedürfnisse von anderen, während wir unser Einkommen zur Deckung unserer Bedürfnisse von anderen erhalten. Wie könnte aus solchem Verständnis eine solidarische Ertragsverteilung entwickelt werden, bei der Arbeit und Einkommen voneinander entkoppelt sind?

Ein Haus ist eine Ware wie Schuhe und Kleider, nur dass seine Erstellungskosten in der Regel die kurzzeitige Finanzkraft des Einzelnen übersteigen. Wie kann in einer finanziellen Wechselwirkung zwischen dem Einzelnen und einer Gemeinschaft der notwendige Wohnbedarf rendite- und gewinnfrei erstellt und verwaltet werden?

Der Boden ist seinem Wesen nach allen Menschen zu gleichen Anteilen von den Schöpfermächten als Lebensgrundlage anvertraut, genauso wie Wasser, Luft und Licht. Wie kann jedem Menschen sein Anrecht auf Boden gewährleistet und zugleich die Nutzung des Bodens bedarfsbezogen geregelt werden?

Der Preis ist Abbild des Tauschverhältnisses von Werten. Wie können Konsumenten, Händler und Produzenten oder Dienstleister die Preise gemeinsam so gestalten, dass sich beim Austausch von Werten keiner ohne Zuspruch der Anderen bevorzugt, so dass der richtige Preis zustande kommen kann?